Das Landschaftsbild des Regierungsbezirks Stettin weist einheitlich das Bild der eiszeitlichen Moränenlandschaft auf. Während Vorpommern westlich der Oder und der Küstenstreifen überwiegend Flachlandcharakter tragen, bilden in Hinterpommern, östlich der Oder, in etwa 80- 100 km zur Küste, die ausgedehnten eiszeitlichen Moränen den von Ost nach West das Land durchziehenden pommerschen Abschnitt des weithin bewaldeten, sanftgewellten baltischen Höhenrückens mit seinen zahlreichen als Pommersche Seenplatte bekannt gewordenen Seen. Die höchste Erhebung ist mit 256 m der Schimritzberg bei Bütow, als größte Seen sind der Madü,- Dratzig,- Vilm- und Großer Lübbesee zu nennen.

 

Bereits am 1.5.1846 wurde Stargard i. P. an die Stammbahn der Berlin Stettiner Eisenbahn als sogenanntes Netz A angeschlossen. 13 Jahre später gingt das Netz B bis Köslin in Betrieb. Gleichzeitig eröffnete das spätere Reichsbahn Ausbesserungswerk im Westen Stargards seine Tore. Es unterhielt in den 30er Jahren Dampfloks, Wittfeld- Akkutriebwagen, Fahrzeuge mit Verbrennungsmotoren und Güterzugbegleitwagen.

Doch zurück zum Streckenausbau. Bis 1870 trieb man den Ausbau bis Danzig voran. Damit war die westpreußische Provinzhauptstadt über Zoppot, Stolp, Köslin, und Stargard mit der Pommerschen Provinzhauptstadt Stettin direkt verbunden. Ansonst war Hinterpommern zwischen der Küstenbahn und der preußischen Ostbahn noch unerschlossen. Doch dies sollte sich in den nächsten 20 Jahren grundlegend ändern ( siehe obere Abbildung). Mit dem am 28. Juli 1892 in Kraft getretenen preußischen Kleinbahngesetz wurde der Bau und Betrieb einer Eisenbahn auf kleiner Distanz derart erleichtert, daß untergeordnete Bahnen wie Pilze aus dem Boden sprossen. Vor allen Dingen tat sich der geheime Commerzienrath Friedrich Lenz mit seiner Firma  Lenz & Co GmbH beim Kleinbahnbau hervor. Allein in Hinterpommern gründete er mehrere   Kleinbahnunternehmen: Klb. Casekow- Penkun, Greifenhagener Krsbn., Saatziger Klbn., Regenwalder Klbn., Greiffenberger Klb., Kolberger Klb., Stolpetalbahn, Stolper Krsb., Klb. Chottschow- Garzigar, Klb. Freest- Bergensin. 

 

Reichsbahdirektion Stettin

Die Lage des Bezirks im Mündungsgebiet der Oder, den größten Teil der Ostseeküste beherrschend, bedingt bei verhältnismäßig dünner Besiedelung und überwiegend landwirtschaftlichem Charakter ein besonders enges Zusammenarbeiten mit den Verkehrsmitteln aller Art, wobei das Streckennetz der Reichsbahn von 3000 Km Länge naturgemäß im Mittelpunkt des Verkehrs steht. Von besonderer Bedeutung in der Zusammenarbeit mit der Seeschiffahrt ist die Bedienung des Verkehrs mit Stettin, dem größten deutschen Seehafen an der Ostsee, der den Seeverkehr mit allen Ostseestaaten und Übersee vermittelt. Für die Ausfuhr über Stettin werden Kohle, Getreide, Zucker und Fertigfabrikate ( Maschinenteile ) angefahren, von den Einfuhrgütern werden Erze nach Deutsch- und Polnisch- Oberschlesien und der Tschechoslowakei und Butter nach Mitteldeutschland, vor allem Sachsen, abgefahren. Für den Umschlag von Massengütern

( Erz, Kohle ) liegt im Osten des Hafens Stettin der nach dem neuesten Stand der Technik gebaute Reiherwerderhafen. 1930 wurden hier rund 550 000 t Erz von Schiff zu Bahn umgeschlagen und mit 402 Güterzügen abbefördert. Dem Stückgutverkehr dient insbesondere die Anlage des Freibezirks, mit einem erst kürzlich errichteten Schuppenspeicher allerneuester Art. Auch in den anderen pommerschen Häfen, wie Stralsund, Kolberg und Stolpmünde, findet ein lebhafter Seeumschlag vor allem mit Getreide statt.

Die Reichsbahn bedient sich im Bezirk Stettin auch selbst des Seeschiffs auf den Eisenbahnfährlinien: Saßnitz- Trelleborg, Stralsund- Altefähr, Swinemünde- Ostswine, die das Umsteigen der Reisenden und der Umladung der Güter vermeinden. Auch mit der Binnenschiffahrt auf der Oder und den damit zusammenhängenden natürlichen Wasserstraßen und Kanälen werden beträchtliche Gütermengen umgeschlagen. Den kombinierten Flugeisenbahnverkehr begünstigt die Lage des Flughafens Stettin, auf dem Wasser- und Landflugzeuge starten und landen können. Damit kann von Stettin aus der Verkehr über die Ostsee nach Kopenhagen, Danzig, Königsberg ( Pr.) und Stralsund- Hiddensee geleitet werden. Mit dem Infolge der dünnen Besiedlung stark entwickelten Netz der Privatbahnen ( 224 km Streckenlänge ) und den Kleinbahnen ( 1932 Km Streckenlänge ) arbeitet die Reichsbahn vielfach zusammen. Auf eine Reihe von Gemeinschaftsbahnhöfen wird der Betrieb der Privatbahnen von der Reichsbahn geführt. Direkter Wagenübergang und freizügige Benutzung des beiderseitigen Wagenparks auf den normalspurigen, Verwendung von Rollböcken auf schmalspurigen Privat- und Kleinbahnen erspart das Umladen der Güter auf den Übergangsstationen. Durch ihre Heranführung an die Bahnhöfe der Reichsbahn und durch die Abstimmung der Fahrpläne sind auch die Straßenbahnen ein wichtigen Bindeglied in der Beförderung der Reisenden. Die Zusammenarbeit mit dem Kraftwagen der Reichspost führte zur durchgehenden Abfertigung von Personen- und Reisegepäck. Vom Kraftwagenverkehr der Reichsbahn werden verschiedene Linien befahren.*

 

Kursbuch für das nördliche und östliche Deutschland vom 1.Juli 1929

( Auszug ) KBS 16 Berlin- Stettin- Kolberg- Groß Boschpol- Danzig

Die Züge D23/102, 101/D24, 591/114 und 113/598 führen einen auf polnischem bzw. Danziger Gebiet verschlossenen Zugteil für den Verkehr zwischen Ostpreußen und dem übrigen Deutschland und einen Zugteil, der den Verkehr zwischen Deutschland und Polen bzw. dem Danziger Gebiet vermittelt. Bei der Benutzung der verschlossenen Teile dieser Züge für Durchgangsreisende keine Zollabfertigung oder Paßprüfung. Wegen der auf deutschem Gebiet stattfindenden Kontrollen der Ausländer empfiehlt sich jedoch für deutsche Reisende die Mitführung eines Ausweises, aus dem sich ihre Reichszugehörigkeit ergibt. Reisende nach oder aus dem Gebiet der Freien Stadt Danzig können ihr Ziel ohne polnisches Visum erreichen, wenn sie einen der folgenden Wege benutzen:

 

1. die durchgehenden Eisenbahnverbindungen Marienburg ( Wpr. )- Dirschau- Danzig 580, 580a: ab Marienburg ( Wpr.) 6:40, 16:50, ab Danzig 10:40, 20:40

2. die Eisenbahnverbindungen von Marienburg ( Wpr.) nach Simonsdorf und Tiegenhof 580d, 589

3. die Kraftfahrlinie Marienburg ( Wpr.)- Danzig

4. die Dampferverbindungen Swinemünde- Neufahrwasser- Pillau 98, oder Elbing- Danzig 588

5. das Flugzeug Berlin- Danzig

 

Hierbei genügt für Reichsdeutsche, die ihren dauernden Wohnsitz in Ostpreußen haben, ein Personalausweis mit Lichtbild, für alle anderen Reichsangehörige ein Paß.

 

 

Reise durch den Korridor

"Strecke (Berlin- Stettin-) Groß Boschpol- Strebelin (- Danzig- Marienburg )

 

Mit einer Länge von 92 Kilometern war die Strecke zwischen Strebelin und Dirschau die kürzeste Durchgangsstrecke, die über polnisches und Danziger Gebiet nach Ostpreußen führte. In einer Mitteilung im Amtsblatt der RBD Stettin vom 20. Mai 1922 hatte die Direktion angekündigt, dass Reisende nach Ostpreußen über Stolp- Lauenburg ab dem1. Juni 1922 in bestimmten Zugteilen des D 21 und des Personenzuges 591 keinen Pass oder Personalausweis benötigen. Die Zugteile sollten während der Fahrt durch polnisches und Danziger Gebiet geschlossen gehalten werden und die Fenster nur auf der Gangseite geöffnet werden. Der Zugführer hatte die Reisenden schon beim Einsteigen in den entsprechenden Wagen zu platzieren. Vor Ausbruch des Ersten Weltkrieges im Jahr 1914 verkehrten zwischen ( Berlin- ) Stettin und Danzig (- Königsberg ) über  die Hinterpommersche Bahn vier Schnell- und zehn Personenzüge in beide Richtungen. Das Kursbuch von 1927 weist dagegen nur noch ein Schnellzugpaar und vier Personenzüge aus.

 

    D 23/24           Berlin Stettiner Bf- Danzig- Königsberg

    P 599/ 596      Berlin Stettiner Bf- Danzig

    P 591/ 598      Berlin Stettiner Bf- Danzig- Königsberg- Eydkuhnen ( P598 ab Königsberg )

 

P591 war damals vermutlich der längste Lauf eines Personenzuges innerhalb Deutschlands. Er verließ den Stettiner Bahnhof in Berlin um 22.00 Uhr und erreichte sein 851 Kilometer entferntes Ziel Eydkuhnen an der deutsch- litauischen Grenze erst nach mehr als einer Tagesreise um 23.22 Uhr des folgenden Tages. Der Verkehr zwischen Stettin und Danzig war gegenüber der Vorkriegszeit deutlich geringer geworden. Ursache dafür waren die wirtschaftlichen Bedingungen und die Abwanderung der deutschstämmigen Bevölkerung nach den Gebietsabtretungen als Folge des Ersten Weltkrieges.

Die zwischen Berlin Stettiner Bahnhof und Königsberg durchlaufenden D 23/24 und P 591/598 führten einen auf polnischem bzw. Danziger Gebiet verschlossenen Zugteil für den Verkehr zwischen Ostpreußen und dem übrigen Deutschland und einen Zugteil, der den Verkehr zwischen Deutschland, Polen und dem Danziger Gebiet ermöglichte. Durchgangsreisende nach oder von Ostpreußen unterlagen bei Benutzung der verschlossenen Zugteile keiner Pass- Zollprüfung. Reisende, die auf dem Korridorgebiet aussteigen wollten, mußten im Besitz eines polnischen Visums sein und den jeweils offenen Zugteil benutzen.

Reisende nach bzw. aus dem Gebiet der Freien Stadt Danzig benötigten kein polnisches Visum, sondern nur ihren Pass, wenn sie einen der folgenden Wege benutzten.

 

- durchgehende Bahnverbindung Marienburg- Dirschau- Danzig ( jeweils früh und abends

  ein Zug in jeder Richtung,

- Bahnverbindung von Marienburg nach Simonsdorf und Tiegenhof

- Kraftfahrlinie Marienburg- Danzig

- Dampferverbindung Swinemünde- Danzg Neufahrwasser-Pillau (Seedienst Ostpreußen)

- Fluglinie Berlin- Danzig und Marienburg- Danzig

 

Sogenannte Reichsdeutsche mit ständigem Wohnsitz in Ostpreußen brauchten zur Einreise nach Danzig nur den Personalausweis vorzulegen. Reisende, die auf den Bahnhöfen im Korridorgebiet aussteigen wollten, mußten sich der deutschen und polnischen Pass- und Zollkontrolle unterziehen und einen polnischen Sichtvermerk für die Einreise nach Polen ( Einreisevisum) im Reisepass vorweisen. Alle Reisezüge hatten auf der deutschen Grenzstation Groß Boschpol zwischen 12 Minuten ( Schnellzüge ) und bis zu 82 Minuten ( Personenzüge ) Aufendhalt für die Grenzkontrolle sowie den Lok- und Personalwechsel.

Die deutsche Passprüfung und Zollabfertigung fand in den D- Zügen während der Fahrt zwischen Lauenburg und Groß Boschpol statt, die polnische bzw. Danziger in Neustadt und Gdingen, in den D- Zügen während der Fahrt zwischen Zopot und Strebielin. Auch in Dirschau, Marienburg, Simonsdorf, Hohensteinund und Danzig erfolgten Zollabfertigung und Passprüfungen. Neben den komplizierten Bestimmungen über den Grenzübertritt von Personen waren umfangreiche tarifrechtliche Bestimmungen für die Abfertigung von Reisegepäck und Gütern zu beachten. Das Internationale Reise- und Verkehrsbüro Polska in Graudenz versprach in einer Kursbuchanzeige mündliche und schriftliche Auskunft über die komplizierten Zoll- und Grenzbestimmungen, über Fahrpläne, Fahrpreise, Visa und verkaufte daselbst Fahrkarten der polnischen Staatseisenbahnen und Schiffsfahrkarten nach allen Ländern sowie reservierte Schlafwagenplätze."

 

Mit freudlicher Genehmigungdes Autors " D 1 Berlin- Königsberg "/ EisenbahnKurier

 

 

 

Stargard liegt im Kreis Saatzig und war bis 1945 als Kreisstadt ein zentraler Verkehrsknoten. Neben der Hinterpommerschen Eisenbahn Kbs 124 zweigt hier die Stargard- Posener Eisenbahn Kbs 129a mit Übergang zur Ostbahn in Kreuz ab. Ferner wird über die Kbs 129b Pyritz erreicht. Die meterspurige Saatziger Kleinbahn erschließt den Landkreis in Richtung Ost/ Nordost mit den Strecken nach Dramburg, Klein Spiegel und Daber, Kbs 126d. In Daber geht es weiter mit der Regenwalder Kleinbahn oder der regelspurigen Naugarder Kleinbahn.

Als wirtschaftliches Zentrum hatte Stargard in den 30er Jahren die Brauerei Kuppermann, die Karowsche Mühle, das RAW der Deutschen Reichsbahn, eine Dampfziegelei und einen Schlacht- und Viehhof vorzuweisen.  Auch das Infanterie- Regiment 25 war in der Garnisonsstadt stationiert. Nicht zu vergessen ist die 1835 gegründete Liquerfabrik F.J. Mampe. Der Kassenschlager hieß: Dr. Mampe's Bittere Tropfen. Zum Schluß muß noch die Zuckerfabrik Klützow als Wirtschaftsfaktor erwähnt werden. Aber die lag bereits in Kreis Pyritz.

Wenn die Gleisanlagen und die Militäranlagen nicht wären, würde von Stargard nicht viel übrig bleiben. Aber es haben 1938 immerhin 40.000 Einwohner die Stadt bevölkert.

Daber ist ein kleines Ackerbürgerstädtchen im Landkreis Naugard. Es liegt zwischen den Hauptbahnen Stettin- Stargard im Süden, Stargard- Belgard im Osten, Stettin- Kolberg im Westen und der Nebenbahn Plathe- Wurow im Norden. Obwohl 1936 nur ca. 2500 Einwohner hier lebten, und als Industrie nur die Stärkefabrik Erwähnung finden kann, gab es zwei Bahnhöfe und immerhin drei Eisenbahngesellschaften. Nämlich die Saatziger Kleinbahnen, die Regenwalder Kleinbahnen und die Naugarder Kreisbahnen. Letztere war regelspurig ausgeführt und im Bildhintergrund im Bahnhof Daber Süd zu erkennen.

 

Pyritz liegt etwa 20 Km südlich von Stargard und wird von 5 Strecken ! angefahren. Alle laufen in diesem kleinen Bahnhof zusammen. Nach rechts gehts nach Greifenhagen ( WNW ), geradeaus nach Jädickendorf (SW) und links geht es nach Küstrin ( S ). Im Rücken des Betrachters führen die Strecken nach Plönzig ( W ) und nach Stargard ( NO ). Links liegen aufgereit das Empfangsgebäude, der Güterschuppen und dahinter der Ringlokschuppen mit einer Drehscheibe.

Dieser Film zeigt eine Mitfahrt im Jahre 2000 auf der Saatziger Kleinbahn von Stargard nach Daber. Interessant ist neben der weiten Landschaft mit dem fernen Blick auch die niedrige Besiedlungsdichte. Eigendlich hat sich in den letzten 80 Jahren nicht viel verändert, wenn diese Sprachbarriere nicht wäre.